Im Interview: Silke Hellwig, Chefredakteurin WESER-KURIER

Lesedauer: circa 3 Minuten

Mit Lesewert hat die Redaktion des WESER-KURIER viel über ihre Leser gelernt.

Zum Ende der ersten Messwelle haben wir uns mit  Weserkurier-Chefredakteurin Silke Hellwig getroffen und sie zu den Erkenntnissen aus dem Lesewert-Projekt gefragt.

Frau Hellwig, wie würden Sie den Leser oder die Leserin Ihres Blattes beschreiben?

Die Leserschaft ist heterogen. In der Mehrheit stammen Leserinnen und Leser aus dem gehobenen Mittelschichtsmilieu.

Was interessiert die Leserinnen und Leser besonders?

Besonderes Interesse gilt den Themen, mit denen jede und jeder im Alltag konfrontiert ist – Stadt- und Verkehrsplanung, Mobilität, Sicherheit, Handel und Gastronomie zum Beispiel.

Wie nutzen Sie als Chefredakteurin die Lesewert-Erkenntnisse  im Redaktionsalltag ganz konkret?

Die Ergebnisse zeigen, dass es wichtig ist, noch stärker als bisher von der Leserin und vom Leser aus zu planen und vermeintliche journalistische Kriterien zu überdenken, teilweise auch über den Haufen zu werfen. Leser interessiert nicht, ob ein angefeatureter Text auf Seite 1 darf oder nicht. Sie entscheiden nach anderen Kriterien.

Was war die größte Überraschung, die Sie in der ersten Messphase mit Lesewert erlebt haben?

Wie gut strukturierte Texte funktionieren – dass ein derart einfaches Mittel so große Wirkung zeigen kann. Schade, dass wir das nicht schon viel früher wussten …

Welche Erkenntnisse haben Sie aus der ersten Messung gezogen?

Dass sich belegen lässt, was man eigentlich wissen muss: Der Journalismus muss den Elfenbeinturm verlassen. Leserinnen und Leser lassen sich nicht sagen, was sie zu interessieren hat und Redaktionen sollten ihnen das nicht vorzuschreiben versuchen. Was Journalisten interessiert, muss noch lange nicht berufsfremde Leser interessieren – anders als umgekehrt: Sich für das zu interessieren, was Leser bewegt, macht unseren Beruf aus.

Was hat sich redaktionell für Ihre Leser dank Lesewert jetzt schon verändert?

Den Kolleginnen und Kollegen ist deutlicher geworden, welchen Themen welche Bedeutung beigemessen werden sollte, um Leserinnen und Leser zu überzeugen. Das Projekt hat den Ehrgeiz angestachelt, gute Lesewerte (nicht nur in der gedruckten Zeitung, sondern auch im E-Paper oder online) zu erreichen. Viele Kollegen haben sich auch die Ausstiegspunkte in ihren Texten angesehen, um daraus zu lernen. Auch die „Rampe in den Text“ (O-Ton Lesewert- Coach Christina Knorz) wird gebaut.

Waren Sie mit der Projektorganisation und dem Coaching zufrieden?

Rundum. Das war schlicht große Klasse.

Was erhoffen Sie sich von der zweiten Messphase?

Dass sich zeigt, dass wir besser verstanden haben, was Leserinnen und Leser von uns erwarten. Und dass wir durch die Verbindung mit Online- und E-Paper-Werten noch mehr Erkenntnisse gewinnen, um unsere Ressourcen klug so einzusetzen, dass wir unsere Leserinnen und Leser Tag für Tag von unserer Arbeit überzeugen und dauerhaft an uns binden.

WIE LESEWERT FUNKTIONIERT

Lesewert ist eine Echtzeit-Analyse für Zeitungen und Magazine. Sie zeigt, ob und wie intensiv Artikel gelesen werden. Redaktionen bekommen damit einen verlässlichen und unverfälschten Einblick in die Interessen und Gewohnheiten ihrer Leserinnen und Leser.

Eine Lesewert-Messung läuft über mehrere Wochen oder einige Monate. Eine dreistellige Anzahl von Lesern bekommt für diese Zeit einen Scanstift. Damit markieren die Leserinnen und Leser, in welche Artikel sie einsteigen und an welcher Stelle sie aus diesen Artikeln wieder aussteigen.

Die Daten werden per Handy-App in eine Datenbank übertragen und für die Redaktion visualisiert. So weiß die Redaktion, für welche Artikel sich viele oder wenige Leser entschieden haben und ob die einzelnen Artikel bis zum Ende durchgelesen wurden oder nicht. Die gewonnenen Erkenntnisse helfen, die Zeitung im Sinne der Leser weiterzuentwickeln.

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