Ein Gespräch mit Tino Meyer, Leiter Sportredaktion der Sächsischen Zeitung.
Der Druck lokaler Sport-Akteure auf Sportjournalist:innen ist hoch. Jeder möchte mit seinem Verein in die Zeitung, jeder möchte seinen Spielbericht dort lesen. Dabei ist die Nachwuchssituation bei Sportredakteuren angespannt und immer mehr freie Mitarbeiter fallen weg. „Es ist selten geworden, dass Jungredakteure den Sportjournalisten als Traumjob sehen. Sportveranstaltungen finden zumeist abends oder an Wochenenden statt und das ist für viele unattraktiv“, sagt Tino Meyer, Ressortleiter Sport bei der Sächsischen Zeitung. Zeitliche Ressourcen sind also knapp, es muss sich auf eine Auswahl von Themen fokussiert werden. Aber was erwartet der Leser – und auch die Leserin – vom Lokalsport-Angebot regionaler Zeitungen und ihrer Onlineportale heute?
Seit über zehn Jahren analysieren wir Mehrwertmacher mit Hilfe der Messmethode Lesewert gedruckte Zeitungen und E-Paper deutschlandweit. Wir erfassen, welche Artikel wie intensiv gelesen werden und können so ziemlich genau sagen, was da eigentlich rein muss – datengestützt. Unsere Erkenntnisse teilen wir auch in Workshops und geben anhand von Beispielen Impulse für Ihre Sportredaktion.
Beim Leserinteresse gilt nach wie vor: Fußball geht immer. Danach kommt lange nichts, Handball und dann eine Nischensportart der Region. Aber auch Fußball ist längst keine sichere Bank mehr. Am besten konvertieren regionale Spitzenmannschaften mit spannenden Duellen. Faustformel für die Redaktion: Je mehr Publikum im Stadion, desto größer das Publikumspotenzial der Berichterstattung. Klassische Spielprotokolle aus der Tiefe der Ligen werden vom größten Teil der Leserschaft hingegen gemieden.
„Entscheidend für guten Lokalsport ist“, so Tino Meyer, „dass Menschen in den Geschichten auftauchen. Menschen, die vor Ort bekannt sind. Jeder Torwart ist auch ein Freund von jemandem oder ein Nachbar. Das Kleinstadtgespräch wird immer wichtiger, denn mittlerweile publizieren viele Vereine Ihre Spielergebnisse in Eigenregie, auf der eigenen Homepage, über Facebook oder Instagram. Das ist ein stückweit Konkurrenz für uns aber auch gut, denn es zwingt uns, die Geschichten neben dem Sport zu machen.“
Aber was sind Zukunftsthemen im Sport? Was klickt abseits von Fußball und Co. und wie bekommt man mehr weibliche Leser auf die Sportseiten?
„Generell gilt, wer Sportinteressiert ist, der wird Sport auch lesen“, so Tino Meyer. „Aber es gibt Tools, die helfen eine breitere Leserschaft anzusprechen und das ist beispielsweise die Optik. Ist die ungewöhnlich und überraschend, bleibt der Leser und vor allem die Leserin viel wahrscheinlicher im Sportteil hängen. Es hilft immer, sich bewusst zu machen, wie sehen meine Seiten heute aus. Zuweilen erschrickt man, weil da wirklich nur Männer sind.
Durch Lesewert haben wir außerdem sehen können, welche Themen beim Leser schlicht durchfallen. Das war schmerzhaft, aber unsere Perspektive bei der Themenauswahl ist eben oft nicht die Leserperspektive.
Was überraschend gut geht, sind Themen, die vom Sport weiter weg sind. Der Stadionbau beispielsweise. Bauthemen generell ziehen auch Nicht-Sportinteressierte auf unsere Seiten.
Außerdem haben wir in meinem Ressort bei der Sächsischen die Serie “Starke Frauen“ gestartet. Hier geht es um Funktionärinnen, Trainerinnen, die Kugelstoßerin, die ihre Karriere beendet hat, die Netzwerkerin im Sport, die Vorständin. Das Feedback war wirklich hervorragend! Und dann muss man natürlich aufpassen, dass man ein weibliches Thema, wie bei uns die erfolgreichen Volleyballerinnen, nicht vermännlicht, indem man im Artikel nur den männlichen Trainer zu Wort kommen lässt. Das wäre ein verpasste Chance.“
Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass es auch im Sport menscheln muss und dass man bei seinen Geschichten nie die Leserperspektive aus den Augen verlieren sollte.
Folgende Themenkomplexe werden laut Lesewert-Daten am besten gelesen:
- Spielfeldrand-Stories
- Spitzenduelle, Derbies, Kellerkämpfe
- Sicherheit am Sportplatz
- Außergewöhnliche Leistungen und Schicksale
- Prominenz und Kurioses
- Regionale sportliche Großereignisse
- Extremsport
Auch die Darstellungsform entscheidet über den Erfolg bei der Leserschaft. Wie die Tabelle unten zeigt, ist die Anzahl der Berichte im Ressort Sport naturgemäß recht hoch, finden aber im Schnitt weniger Leser-Beachtung als andere Stilformen. Besser gelesen werden Long-Reads, wie Reportagen oder Interviews. Auch Historisches funktioniert auf den Sportseiten gut.
Heißt das, Sportredaktionen sollten auf Ergebnis-Berichterstattung komplett verzichten? Nein, meint Tino Meyer, aber es ist Einordnung und Analyse gefragt. Der chronologische Spielbericht hat es bei Leser:innen print wie online extrem schwer – er ist zu bürokratisch.
„Was aber bleibt, egal ob print oder online: Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte! Da unterscheidet sich die Wahrnehmung auf den verschiedenen Publikationswegen nicht – solange sie gut erzählt ist.“
Wollen Sie mit Ihrer Sportredaktion arbeiten? Wir bieten verschiedene Workshops speziell für Lokalsportredakteure an. Fragen Sie uns unverbindlich an! Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!
Mail: [email protected] oder fragen Sie mich direkt an.
Danke, für Ihr Interesse.